Neal Shusterman & Andrés Vera Martínez: Fenster in der Nacht, Graphix Loewe, 2024
Weltweit erstarkt die sogenannte „Neue Rechte“ – eine politische Bewegung, die das Menschheitsverbrechen der Shoa leugnet, relativiert oder auch gutheißt. Der alte Hass, der unfassbares Leid und Tod über so viele Millionen Menschen gebracht hat, verführt auch heute wieder (nicht nur) Jugendliche und junge Erwachsene zum Bösen. Neal Shusterman (Text) und Andrés Vera Martínes (Zeichnungen) haben mit „Fenster in der Nacht“ eine Graphic Novel geschaffen, die gerade auch bei Jugendlichen Interesse für das komplexe Thema „Holocaust“ wecken soll. In fünf voneinander unabhängigen, fiktiven Geschichten werden fünf unterschiedliche Aspekte der Shoa aufgezeigt: Der mutige Einsatz von Menschen, die ihre jüdischen Mitmenschen versteckten, das Grauen der Konzentrations- und Vernichtungslager, der Kampf der Partisanen in den Wälder Osteuropas, die Rettung der dänischen Juden und zuletzt die Frage danach, was heute wieder passieren könnte. Allen Geschichten ist gemein, dass sie eine fantastische Komponente haben. Der Golem steht stellvertretend für den unglaublichen Mut der Menschen, die in Treblinka den Aufstand wagten. Der Stab von Moses bereitet den dänischen Juden einen Weg über die Ostsee oder die Baba Jaga greift in den Partisanenkampf ein. Das Autorenduo weiß natürlich, dass diese Geschichten nicht genau so stattgefunden haben. Neal Shusterman schreibt dazu: „Welche Schnittstelle gibt es denn zwischen der Fantasy und der grausigen Realität von Millionen ermordeter Menschen? Aber je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich auf diese Weise starke Geschichten erzählen konnte. Geschichten von Wünschen, die tragischerweise nie erfüllt werden können. Und Geschichten, die wir uns seit langer Zeit erzählen und die eine Brücke schlagen zwischen der Folklore und der harten Wirklichkeit – Geschichten von magischen Wesen und mystischen Gegenständen, die Hoffnung, Überleben und eine kollektive Trauer symbolisieren.“ Dadurch, dass jeder Geschichte noch eine Darstellung der historischen Fakten folgt, wird eine Einordnung der Geschehnisse, der Fenster in der Nacht des Grauens, verständlich.
Nie wieder ist jetzt!
(Benjamin Decker)